«JULIA und JANA, JOHN und JOE»

Zwei Einakter über Aussenseiter. Am Akkordeon Heidi Gürtler.

Agota Kristof: John und Joe.

John und Joe sind zwei Männer, die sich täglich im Café mit einer Musikerin treffen. Die knappen Gespräche und die Akkordeonistin lassen viel Raum für Ungesagtes und Unsagbares. Die beiden erinnern an Becketts Wladimir und Estragon, aber sie sind im sozialen Alltag unserer Realität. Manchmal sind sie ein bisschen wie wie Laurel und Hardy, manchmal verbreiten sie Freude oder Trauer über die Welt wie der weisse und der bunte Zirkusclown. Sie sitzen zusammen und sind doch jeder für sich. Jeder kleine Dialog birgt Fallstricke und Glücksmomente. Jedes Gespräch ist auch ein Ritual, jedes Treffen der beiden ist geprägt von der Macht der Gewohnheit. Die Freundschaft wird auf eine Probe gestellt, aber sie bewährt sich. Die Freude an der Sprache eint sie.

JOErg Jermann: Julia und Jana.

Zwei jüngere und etwas skurrile Frauen begegnen sich ultimativ. Julia, etwas behindert, von Dorf und Familie verachtet und geplagt, wird von Jana, einer artifiziellen Gestalt, liebevoll abgeholt. Jeder kann in sein Verlies und Urzimmer zurückgeworfen werden. Julia Zimmerli wird schon als Kind die Übergescheite genannt. Ihre Begabung ist einseitig. Ihre Eigenwilligkeit und Phantasie kontrastieren mit ihrer vermeintlichen Geistesschwäche und Beeinträchtigung. Sie sieht Dinge, welche die anderen nicht sehen, flüchtet in Märchen. So schliesst sie sich aus und wird ausgeschlossen. Sie probt in ihrer Einsamkeit oft eine Art Auftritt vor Publikum. Sie imaginiert und versucht eine Vergangenheitsbewältigung. Sie liebt Musik. Und das Akkordeon begleitet sie.

Natalie Müller und Livia Studer als Julia und Jana
Natalie Müller und Livia Studer als Julia und Jana
Dernierenapplaus im Bau3 Gundeldingerfeld am 10.12.2022
Dernierenapplaus im Bau3 Gundeldingerfeld am 10.12.2022

Personen

Natalie Müller und Livia Studer, Kurt Wegmüller und Peter Wyss.

Akkordeon Heidi Gürtler
Kostüme Design Simone Seiterle 
Bühne Alfi Marti
Regie Jörg Jermann
Natalie Müller und Livia Studer als Julia und Jana
Natalie Müller und Livia Studer als Julia und Jana

Inhalt

Die im Stück «John und Joe» von Agota Kristof erwähnten «Sauser» und «Huguenin»:

 

Mit dem im Stück angesprochenen «Sauser» meint Agota Kristof wohl ein Pseudonym. Blaise Cendrars, geboren 1887 als Frédéric Sauser in La Chaux-de-Fonds, er verbrachte seine Kindheit in dieser Stadt und einen Teil seiner Jugend in Basel und Neuchâtel. Danach war er einige Jahre Student in Bern. Diese Schweizer Lebensperiode des Schriftstellers ist wenig bekannt. Cendrars' Beziehungen zur Schweiz und sein Verständnis von Nationalität sind schwankend. Diese Vielschichtigkeit spiegelt sich auch in seinem literarischen Werk wider.

 

In «John et Joe» erwähnt Agota Kristof auch eine oder einen Adèle "Huguenin". Adèle Huguenin, ist am 6. August 1856 in Le Locle geboren. Dort war sie Lehrerin. Als solche unterstützte sie den Kampf gegen den Alkoholismus, bis 1908 Absinth gesetzlich verboten wurde. Um 1879 begann Huguenin zu schreiben, und es entstand mit den Jahren ein kleines literarisches Werk. Daneben arbeitete sie wie Agota Kristof auch immer wieder als Übersetzerin. Nahezu alle ihre literarischen Arbeiten wurden publiziert unter dem Pseudonym «T. Combe».

 

Die Einfachheit der Gespräche im Alltag und die Hintergründigkeit in den Monologen ermöglicht es, in beiden Stücken tiefere Zusammenhänge zu sehen und auf die Frage nach dem Sinn von Eigenwilligkeit und Originalität zu schauen, die bei uns in der Gegenwart und in verschiedenen Bereichen von einer gewissen Konformität verdrängt werden.