Programmheft
Wir geben die Sprechenden.
Und zeigen Courage, das Sprechen zu versuchen.
Was wir sagen wollen, wird nicht ganz getroffen.
Was wir sagen können, reicht nicht.
Immer ist das Gefühl vor dem Sprechen.
Wir denken auch bildlich und vorwörtlich.
Meistens bleibt vom Gesagten Ungesagtes übrig.
Sprechen und Verstehen gelingen dann erst recht.
Als Baggerführer, Taxifahrerin, Verliebte oder digital reden wir anders. "Hallo" rufen wir aber in alle Richtungen: aufmunternd, heiter, suchend, lachend oder empört.
Henning Mankell: "Bagger" - Nick Eminger
Ein Selbst-Gespräch an der Bar mit dem Garçon.
Harold Pinter: "Victoria Station" - Manuela Visscher und Kurt Wegmüller
Ein Funk-Kontakt von Zentrale und Taxifahrerin.
BASALTTHEATER: " Smile" - Katja Zurbuchen und Natalie Müller
Ein Chill-Chat mit Smartphones in der digitalen Welt.
Jean Tardieu: "Beendet eure Sätze" - Natalie Müller und Peter Wyss
Eine Satzstumpf-Orgie bei einer zufälligen Wiederbegegnung.
Saxophon und Jazzgesang - Thomas Achermann
Kostüme Simone Seiterle, Bühne Alfi Marti, Texte und Regie Jörg Jermann.
3.11/4.11.2021 Palazzo Liestal 20.00
5.11./6.11.2021 Tapadera zum Krug Basel 19.30
17./18/19.11. 2021 Barakuba Basel 19.30
"Une conversation réussie c'est quand on a entendu et compris ce qui n'a pas été dit." Ph. Besson
SMILE. BASALTTHEATER.
Das ewige Licht des digitalen Zeitalters. Wie das Smartphone eine neue Metaphysik begründet. Wir versammeln uns um das leuchtende Handy wie unsere Vorfahren einst um das Lagerfeuer.
Der blaue Schimmer des Smartphones holt allein das Gesicht aus der Dunkelheit hervor und bringt es zum Leuchten. Erst jetzt erkenne ich, dass der Bildschirm des Smartphones ein universales Licht ist. Eigentlich hätte ich das früher bemerken müssen, denn das Kino hat es als solches schon lange gezeigt, Gesichter in Nahaufnahme, die im blauen Schimmer eines Bildschirms eine Verwandlung durchlaufen: eine Entdeckung, eine Verlockung, ein Erschrecken. Dazu gehören die während des Gesprächs eingegangenen Nachrichten. Deren Beantwortung braucht Zeit. Man verschickt Bilder und bekommt auch welche, tippt auf Links und lässt sich weiterleiten, liest einen Blog-Eintrag und schickt den Link wiederum weiter. Es gibt Filme, Videospiele und sogar eine App für das älteste Spiel der Einsamen, die Patience. Das Phone kennt keinen Unterschied von Arbeit und Freizeit, Zuhause oder auf der Strasse, intim oder öffentlich, und man bekommt nie den Anruf einer Stimme, die einem sagt, man möge das Gerät ausschalten. Selbst wenn man bereits gestorben ist, treffen noch Nachrichten ein. Das Phone ist ein digitales Feuer. Sein kühler Schimmer täuscht, es ist in Wirklichkeit wärmend, ein kleines Lagerfeuer, das nie ausgeht und völlig ungefährlich zu transportieren ist. Das blaue Licht bedeutet den Kontakt mit der Menschheit. Oder ist es nicht sogar so, dass es einen überhaupt erst zum Menschen macht? Der Hund ist da ganz anders, der will überhaupt kein Bild von sich selbst sehen. Ich sehe Menschen auf den Strassen, die beseelt oder sogar beglückt in ihr Phone schauen. Das ist interessant, wie Gespräche die Telefonierenden anspannen, die Textnachrichten sie aber entspannen. Ablenkung und Unterhaltung sind nicht überflüssig, wie fundamentalistische Calvinisten meinen, sondern ein tiefes Bedürfnis des Menschen seit Urzeiten. Das digitale Feuer bestimmt das Verhältnis des Einzelnen zur Welt, aber es schafft auch Kollektive. Jetzt, da es am See dunkel geworden ist und etwas herbstlich, merkt an davon nichts, aber vor wenigen Tagen noch kreiste ein Schlauchboot auf dem Wasser, mit drei jungen Männern darauf, und aus dem Boot schallte ein elektronischer Beat, solange sie unterwegs waren, und als sie angelegt hatten, hörte man ihn noch eine Weile vom Ufer her. An den langen, warmen Abenden des Sommers waren die Uferstellen von Gruppen so eng belegt, dass die Sound-Glocken sich überschnitten: Das, was man früher Natur nannte, ist ersetzt worden durch eine zweite Natur, eine andere Vorstellung des Ursprünglichen.
NZZ: Ulf Erdmann Ziegler, 14.10.2020
Jean Tardieu, Finissez vos phrases.
Tardieu starb am 27. Januar 1995 in Créteil, Département Val-de-Marne, war französischer Dichter, Dramatiker und Rundfunkpionier. Grosser Preis "Littérature de la Société des Gens de Lettres" 1986.
L'éternel enfant
Grand plaisir grand merci
Merci mille fois merci. À bientôt
Mais non
Mais si
Ce n'est rien je vous en prie.
À
Dimanche à
Lundi
À
Mardi à
Mercredi
C'est cela: plutôt
Vendredi
Le matin, je veux dire à midi
Dès l'aurore avant la nuit.
Sans façon c'est par ici
Trop aimable.
aus Tardieu: Finissez vos phrases in einer eigenen Dialektfassung
MONSIEUR A
Parfait, parfait! Alors, je vous en prie.Veuillez passer par! Je
vous suis. Mais, à cette heure-ci, attention à, attention aux!
MADAME B
acceptant son bras, soudain volubile. Vous avez bien raison.
C'est pourquoi je suis toujours très. Je pense encore à mon
pauvre. Il allait, comme ça, sans - ou plutôt avec. Et tout à
coup, voilà que! Ah! là là! brusque-ment! Parfaitement.
C'est comme ça que. Oh! j'y pense, j'y pense! Lui qui! Avoir
eu tant de! Et voilà que plus! Et moi je, moi je, moi je!
MONSIEUR A
Pauvre chère! Pauvre lui! Pauvre vous!
Lexikon
Scat skæt; englisch Scat Singing
Im Jazz der Gesang von einzelnen Silben ohne Wortsinn; der aus der afro-amerikanischen Musik stammende Scat-Gesang wurde ursprünglich vor allem bei religiösen Anlässen zur Steigerung der Empfindungen verwendet; seit den 1940er Jahren im Bebop zur Darstellung vokaler Virtuosität; bedeutende Vertreter u. a.
L. Armstrong, E. Fitzgerald, A. Jarreau, B. McFerrin.
Henning Mankell: Bagger
Mankell war in der schwedischen 68er-Bewegung aktiv und beteiligte sich unter anderem an Protesten gegen den Vietnamkrieg, Portugals Kolonialkrieg in Afrika und gegen das Apartheidregime in Südafrika. Er war auch in der kulturpolitischen Vereinigung Folket i Bild/Kulturfront engagiert. Während seiner Zeit in Norwegen kam Mankell in Kontakt mit der maoistischen arbeidernes kommunistparti.
Mankell bei einer Signierstunde am 2. März 2009 in Unna anlässlich der Verleihung des Ripper Awards. 2009 war er Gast einer palästinensischen literarischen Konferenz und bereiste die Palästinensischen Autonomiegebiete. Er behauptete anschließend, dass die nach Beschluss der Vollversammlung der Vereinten Nationen erfolgte Gründung Israels 1948 keine „völkerrechtlich legitime Handlung“ gewesen sei und man dort „eine Wiederholung des verächtlichen Apartheidsystems, das einst Afrikaner und Farbige als Bürger zweiter Klasse in ihrem eigenen Land behandelte“, erlebe.
Harold Pinter: Victoria Station
Den Nobelpreis erhielt er, weil er "in seinen Dramen den Abgrund unter dem alltäglichen Geschwätz freilegt und in den geschlossenen Raum der Unterdrückung einbricht", so die offizielle Begründung. "Eine gute, richtige Entscheidung", befand damals Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, während die Kritikerkollegin Sigrid Löffler meinte, der Preisträger sei aus der Mode. Drei Jahrzehnte liege das Werk zurück, mit dem er Theaterfurore gemacht hat. Zwei Jahre später erhielt Pinter auch die höchste Auszeichnung der französischen Republik, den Orden der Ehrenlegion (Légion d'honneur). Nach der Zuerkennung des Nobelpreises wurden Pinters Stücke vor allem in Großbritannien erneut auf den Bühnen gespielt. Im Oktober 2006 stand er selbst im Londoner Royal Court Theatre in Samuel Becketts "Das letzte Band" wieder einmal als Schauspieler auf der Bühne. Die neun Vorstellungen waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft.
Drei Menschen begegnen sich auf engstem Raum, doch keiner beachtet den anderen. Philipp Giegel (1927–1997) fotografierte die in Zürich festgehaltene Strassenszene – den Mittelpunkt der Komposition beansprucht eine statuenhafte Figur: Die in Mantel und Decke gehüllte Zeitungsverkäuferin lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, während es die Welt um sie herum eilig hat.
Der Skirennfahrer auf dem Cover der feilgebotenen Zeitschrift rast gleich zweifach den Berg hinunter.
Ein Passant hastet vorbei und übersieht die Protagonistin geflissentlich. Ein Fensterputzer wirbelt seinen Lappen übers Glas.
Die Stadt ist nur indirekt und seitenverkehrt in den Schaufenstern zu erkennen. Sie erscheint flüchtiger, fragiler als die im Zentrum thronende Frau, die sich auf ihre Weise gegen die Vergänglichkeit auflehnt.
NZZ 21. 8. 2021
Land der Emojis
Leetspeak
Leetspeak (auch Leetspeek; von engl. elite, „Elite“) bezeichnet das Ersetzen von Buchstaben durch ähnlich aussehende Ziffern und Sonderzeichen. So wird der Begriff Leetspeak selbst häufig 1337, manchmal 1337 5P34K. Bekannte Beispiele: E-M@il, €uro. Beispiele für häufige Verwendung: Eine 1 sieht wie ein kleines L oder I aus, 3 ist das Spiegelbild eines E, und eine 7 ist ein etwas deformiertes T. Unter der 0 kann man sich ein großes O vorstellen. Aus einer 4 wird ein A oder ein h und aus einer 5 wird ein S.7 Leetspeak ist manchmal schwer zu entziffern und ist daher als eine Art Geheimcode der Computerszene zu betrachten. Man verwendet sie
häufig auch in Nicknames (Spitznamen). Weitere Verwendung findet Leetspeak bei Nutzern von Internet-Spielen. Es kann mehrere Gründe dafür geben, Leetspeak anzuwenden. Es kann z.B darum gehen, weniger erfahrene oder gegnerische Spieler aus der Konversationen auszugrenzen oder auch anderen Spielern zu
imponieren.